Herzlich Willkommen
So empfind ich im Herzen
Du musst Deinen Freund mit allem, was an ihm ist,
in Deinen Arm und Schutz nehmen.
Matthias Claudius
© Claudius-Ensemble
Aufführungen
des Programms
Samstag, 26. Februar 2011
19:00 Uhr
Inselkirche Hermannswerder
Sonntag, 27. Februar 2011
17:00 Uhr
Friedrichskirche Babelsberg
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Dirigent:
Jens Bauditz
Chormusik von Claudio Monteverdi bis Billy Joel
Arianna, im Griechischen auch Ariadne genannt, Tochter des kretischen Königs Minos und sein-
er Gattin Pasiphaë, klagt und leidet. Die später als Göttin der Fruchtbarkeit verehrte verzweifelt
an abschiedsloser Einsamkeit, unerwiderter Zuneigung, ist dem geflüchteten Geliebten näher
als sich selbst, dem Selbstmord näher als dem Leben! Das "Lamento d´Arianna" beginnt ...
Die Vorgeschichte: Ariannas Halbbruder Minotaurus, ein blutdürstiges Mischwesen, entsprang einer Beziehung ihrer Mutter mit einem
Stier und wurde in einem von Dädalus erbauten Labyrinth auf Kreta gehalten. Dieses Labyrinth geriet alsbald zum Schauplatz
grausamer Menschenopfer. Denn nachdem ein Sohn des Minos in Athen ermordert wurde, musste die Stadt alle neun Jahre jeweils
sieben Jungfrauen und Jünglinge dem Unwesen zum Opfer senden. Zum dritten abscheulichen Ritual dieser Art stahl sich der
athenische Königssohn Theseus, um dem Gräuel ein Ende zu bereiten und Minotaurus zu töten. Arianna verliebte sich in Theseus auf
den ersten Blick. Und half ihm; bewaffnete ihn mit einem geweihten Schwert, gab ihm ein selbst gesponnenes Knäuel aus rotem
Wollfaden, dessen eines Ende von Dädalus am Eingang des Labyrinths befestigt wurde. Der Plan ging auf und beide konnten in Liebe
vereint in Richtung Athen flüchten. Was dann geschah, überliefert die Mythologie nur vage ...
Möglicherweise war Arianna bereits dem Dionysos, dem Gott des Weines und der Freude, zugedacht. Oder wurde für und in Theseus´
Mission schlichtweg ausgenutzt ... Es geschah, dass Arianna bei einem Zwischenhalt auf der Insel Naxos zurückgelassen wurde. "Und ich
verbleibe als Speise für die Bestien auf diesem einsamen Strand" (Secunda parte). Verzweifelt möchte die Liebende in den Fluten des
Meeres sterben, doch wird sie von Fischern gerettet. Untröstlich beginnt ihr Lamento: "Lasst mich sterben!" (Prima parte). Bitterlich
betrauert sie die fehlende "Treue, die du mir so vielmals geschworen" (Terza parte), verflucht den Flüchtigen: "Beeilt euch, ihr Orcas und
Wale und erfüllt eure tiefen Strudel mit seinen verdorbenen Gliedern!" (Quarta parte). Doch Ariannas herzenstiefe Zuneigung soll nie
verblassen. "Warum rase ich so? [...] Oh Theseus, oh mein Theseus, [...] es sprach meine Furcht, es sprach der Schmerz; es sprach die
Zunge, aber nicht mein Herz" (Quarta parte). Auch dann nicht, als sie vom sehr bald in Liebe zu ihr verfallenden Dionysos gefunden
wird, dem sie später mehrere Söhne, aber niemals ihre ungeteilte Gunst schenkt.
Claudio Monteverdi (1567-1643) war von 1590 bis 1613 am Hof des Herzogs Vincenzo I. Gonzaga in Mantua angestellt, das sich in
diesen Jahren zu einem Zentrum der Kunst in Italien entwickelte. Dort entstand die Oper "L´Arianna" und wurde am 28. Mai 1608
anlässlich der Vermählungsfeier des Prinzen Francesco von Gonzaga mit Margherita von Savoyen uraufgeführt. Das Libretto stammt
aus der Feder Ottavio Rinuccinis. Heute ist von dieser Oper nur noch das "Lamento d´Arianna" erhalten, das in seinen vier
eindrücklichen Madrigalen den melancholischen und wütenden, rauschhaften und rationalen, quälerischen und bitteren Trauerprozess
der Arianna nachzeichnet.
Ariannas Herz ist, wie das eines jeden Menschen, ein sehr sinnliches Organ; in seinen Kammern und Gemächern entfaltet sich die
vielfältige Palette lebendiger Emotionen. Diese versucht das Konzertprogramm "So ich empfind im Herzen ..." - eine Zeile aus Hans Leo
Hasslers "Ach, weh des Leiden" - zu beleuchten. Oder, um Billy Joels "And so it goes" zu zitieren: "In jedem Herzen ist ein Raum, ein
sicherer und starker Zufluchtsort, um die Wunden der vergangenen Liebe zu heilen bis eine neue entgegen kommt." Aber selbst das
lyrische Ich dieses Liedes zerbricht an der Sehnsucht zu der einen, einzig wahren Liebe ...
Zum Klagegesang der Arianna gesellt das Claudius-Ensemble ein musikalisches Spektrum besonderer Kontraste und Vielfältigkeit.
Darunter Klänge eines deutschen Zeitgenossen Monteverdis, der Kammerorganist am Dresdner Kurfürstenhof war: Hans Leo Hassler
(1564-1612), in Nürnberg geboren und in Venedig studiert, komponierte drei im Konzert erklingende und in schlichter Homophonie
verfasste Lieder über jugendliche Liebe und schmerzende Trennung.
Etwa 100 Jahre zuvor entstanden bereits eine Reihe von italienischen Karnevalsmadrigalen. Eine empfindsam aufgeschlossene Zeit wie
die Renaissance, brachte vor allem in Florenz und Venedig zu solchem Fest von überschwänglichem Lebensgenuss eine Fülle von
schwungvollen Tanz- und Vokalwerken mit bisweilen anstößig doppeldeutigen Texten hervor. Der "Carnevale di Venezia" wurde bereits
im 11. Jahrhundert gefeiert und entwickelte seit dem Spätmittelalter, ausgehend von den italienischen Fürstenhöfen, immer
prunkvollere Aufführungen mit prächtigen Kostümen, farbenreichen Maskenspielen, ausschweifenden Feiern und pointierten
Schauspielen.
Die Madrigale markieren den Beginn der Schaffensphase erster profaner Gesänge in Italien, ausgehend von der Frottola - eine
vierstimmige, schlichte Liedform wie bspw. "Tua volsi esser sempre mai" - bis hin zur reichen Polyphonie und kunstvollen kanonischen
Verflechtungen, wie sie Heinrich Issac (c.1450-1517) in "Donna di dentro" vollführte.
Mit Chorsätzen von Billy Joels (*1949) "And so it goes", dem u. a. von Manhattan Transfer gesungenen "Chanson d´amour" und "Take
Five" des Dave-Brubeck-Quartetts, spannt das Claudius-Ensemble schließlich einen Bogen in die Jazz- und Popmusik des 20.
Jahrhunderts und beschließt mit den Tagträumen in Henry O. Millsbys (*1956) "Wiegenlied" einen zu Herzen gehenden farbenreichen
Konzertabend.
Jens Bauditz
(Februar 2011)